Tierhilfsnetzwerk Europa e.V.

Anne und Kosta in Thessaloniki - ein wahres Tierschutzabenteuer

Es war der 12.11., als Kosta und ich gemeinsam in den frühen Morgenstunden das Flugzeug nach Thessaloniki bestiegen. Eigentlich sollte dies eine private Reise werden. Doch Tierschützer wie wir, reisen wohl nie ganz privat. Und so waren unsere Koffer und Taschen gefüllt mit Spielzeugen, Leinen, Pflegeprodukten und vielem mehr, das wir vor Ort an ein Tierheim übergeben wollten. Unweit von Thessaloniki waren wir bei Kostas Eltern zu Besuch. Schon am Tage unserer Ankunft spazierten Kosta und ich durch die kleinen Gassen und Wohnsiedlungen in Nea Kallikratia. Kostas Nichten, die einige Wochen zuvor auch dort zu Besuch waren, hatten uns einige Tiere genannt, deren Haltung wir uns in diesen Tagen genauer anschauen wollten.

Am ersten Abend besuchten wir eine entzückende kleine Hündin, die ununterbrochen an der Kette gehalten wurde. Diese war jedoch so lang, dass einige Nachbarn ab und an durch den Zaun griffen und den Hund von der Kette los machten. So taten auch wir es an diesem Tag und fütterten die sehr liebenswerte Hündin mit ausreichen Feucht- und Trockenfutter. Am Abend fuhren wir zu einem örtlichen Supermarkt, um dort Futter für die kommenden Tage einzukaufen. Dabei stießen wir auf drei Straßenhunde auf dem dortigen Parkplatz, die wir sofort mit Futter und Wasser versorgten. Einer der Hunde war sehr zutraulich, die anderen beiden hielten sich lieber auf Abstand.


Anschließend fuhren wir etwas tiefer in den Ort hinein, wo wir den Abend mit einem Spaziergang ausklingen lassen wollten. Dort lag ein junger Rüde auf den Stufen der Kirche und schlief. Als wir ihn riefen kam er sofort angelaufen und machte sich sogleich über das Futter und Wasser her, dass wir ihm servierten.


Am kommenden Tag machten wir einen kleinen Ausflug und fuhren dabei mit dem Auto durch die nähere Umgebung. Dabei begegneten uns einige Streuner, die wir alle mit Futter und Wasser versorgten. Sie sahen zu unserer großen Freude teilweise doch recht fit und gut genährt aus. Nur einige wenige machten einen doch recht dünnen Eindruck, was besonders tragisch ist, da der Winter bevorsteht. Manche von ihnen waren extrem anhänglich und forderten immer wieder Streicheleinheiten ein, wieder andere blieben auf sichere Entfernung und machten sich über das Essen her, um anschließend weiter zu ziehen. Es waren kleine Rudel von 2 – 3 Hunden. Dabei begegneten wir auch einem Hund, der auf einem Hof mit Schafen, auf extrem schlammigen Boden stand und uns dabei beobachtete, wie wir vor dem Hof Streuner fütterten. Natürlich brachten wir ihm auch gleich eine große Portion Futter und Wasser.  Als auf dem Hof der anliegenden Werkstatt dann zwei Mechaniker an einem Tracktor herum schraubten, fragte Kosta sie, ob dies ihr Hund sei. Der Werkstattchef bestätigte dann, dass der Hund, sowie auch die Hunde vor dem Hof zum ihm gehörten. Und so fand Kosta ziemlich deutlich Worte, um dem Mann mitzuteilen, dass es eine Schande sei, dass da Touristen kommen müssten, um sich um seine Tiere zu kümmern. Er versuchte sich dann heraus zu reden und sagte, er hätte einen Sack altes Brot für die Hunde. Doch das war keine Antwort, die uns wirklich zufrieden stellte. Nach einer kurzen hitzigen Diskussion fuhren wir weiter. Bei einer späteren "Überprüfung" stellten wir fest, dass die Diskussion genau richtig war. Alle Hunde waren nun auf dem Hof, sie waren frei und hatten neben frischen Wässern reichlich Hundefutter in Näpfen.

Als wir am Grundstück der kleinen Hündin vorbei kamen, die wir am Tag zuvor von der Kette gemacht hatten, war diese leider wieder daran befestigt. Daraufhin entschieden wir, ihr am Abend einen Besuch abzustatten und sie von Halsband und Kette zu befreien. So packten wir nach Einbruch der Dunkelheit einige Utensilien zusammen und befreiten die Hündin zuerst von dem Halsband und kümmerten uns anschließend um die Kette, die nicht länger auf dem Grundstück verweilen sollte.

Am kommenden Tag machten Kosta und ich einen ausgiebigen Spaziergang durch die Olivenhaine der Umgebung. Dabei kamen wir an einem Hof vorbei, von dem wir schon im Voraus erzählt bekommen hatten. Ein Hof voller Müll und Unrat, sowie einer sehr großen verdrecken Taubenvoliere. Darauf zwei Welpen, die voller Freude an den Zaun gerannt kamen, um ein paar Streicheleinheiten zu erhaschen. Das schlimmste jedoch war ein Kleinbus der mitten auf dem Hof stand. Und daraus hervor gekrochen kam ein Esel, der an den Bus gekettet war. Die „Leine“ bat ihm einen Bewegungsspielraum von 1,5 Metern um den Bus herum. Er sah so traurig aus und sah dabei zu, wie wir die Hunde am Zaun streichelten. Kurzerhand entschieden wir uns, das Tier aus der Nähe anzusehen und so kletterte ich über den Zaun um zum Esel zu gelangen. Er stand dort wie gebeutelt und senkte den Kopf. Als ich ihn streichelte, genoss er diese Zuneigung sichtlich und drückte seinen Kopf in meine Arme. Wer weiß, wie lange das arme Tier keine Liebe mehr erfahren hatte. Von Kostas Nichten hatten wir zuvor erzählt bekommen, dass der Besitzer ihn den Sommer über auf einem Feld angekettet hatte. Wir fütterten die Hunde und entschieden gemeinsam, etwas gegen diese Haltung des Esels zu unternehmen.

Einige Gehminuten weiter trafen wir dann auf unser nächstes Sorgekind, dass uns den Rest der Reise noch sehr viele Nerven kosten sollte. Wir kamen an ein unbebautes Grundstück, auf dem neben einem Haufen Kies nur Wiese zu sehen war. Auf diesem Grundstück saß ein sehr magerer Hund, der mit einer schweren Kette an eine Laufleine befestigt war. Völlig unbedarft gingen wir an den Zaun und ich streichelte den Hund einige kurze Male. Dann packten wir das mitgebrachte Futter aus und begannen den Hund zu füttern. Dabei begann er uns anzuknurren und nach Kostas Fuß zu schnappen, der ihm das Trockenfutter etwas näher heran schieben wollte. Wir traten lieber ein paar Meter zurück, denn plötzlich war mit diesem Hund nicht mehr zu spaßen. Ich ging an dem Zaun entlang und sah die “Hütte“ die man diesem armen Kettenhund aufgebaut hatte. Bretterverschlag wäre noch ein zu blumiger Begriff dafür. Zwei Europaletten waren aufgestellt und mit etwas Plane überhangen worden. Ein Gebilde, das dem Hund weder Schutz vor Wind, noch vor Kälte oder Regen bieten konnte. Später dann bemerkten wir zudem, dass die Kette des Hundes so kurz war, dass es ihm nicht mal gelang in diesem “Unterstand“ Schutz zu suchen.

Mit vielen unschönen Eindrückten gingen wir wieder zurück. Dabei passierten wir das Grundstück mit der Hündin, die wir nun schon zwei Male von ihrer Kette befreit hatten. Der Besitzer stand bei ihr und war gerade dabei ihr ein neues Halsband und eine neue Kette anzulegen, als Kosta ihn ansprach. Er teilte ihm mit, dass die Kettenhaltung in Griechenland verboten sei und man ihn anzeigen könnte und er hohe Strafen zahlen müsse. Doch leider verstand dieser Mann kaum ein Wort Griechisch, da er selbst aus Russland zu kommen schien. Er sagte nur einige wenige Sätze und versuchte, sich zu erklären. Die Hündin müsse an die Kette, da sie sonst seinen Garten verwüsten würde und er dann nichts mehr zu essen hätte. Kosta versuchte noch einmal mit ihm zu sprechen, doch leider gelang dies nicht. Und so machten wir uns auf den Heimweg.

Am Abend dann besuchten wir die Hündin erneut um sie wieder von ihrer Kette zu befreien. Dieses Mal hatte der Mann sie kürzer gemacht, damit die Hündin nicht mehr so nah an den Zaun kommen konnte. Doch es gelang uns dennoch die Kette von ihrem Hals zu befreien. Wir sind der Meinung - wenn der Mann seinen Garten vor dem Hund schützen möchte, dann muss der Garten eingezäunt werden und nicht der Hund an die Kette gelegt werden.

Anschließend gingen wir erneut zu unserem Sorgenkind um ihm etwas Feuchtfutter und frisches Wasser zu bringen. Als wir am Zaun ankamen und begannen das Futter vorzubereiten, kam der Hund sogleich an den Zaun gelaufen. Doch nicht nur das, es gab eine Lücke im Zaun, die es ihm ermöglichte, darunter hindurch zu schlüpfen und 1 Meter auf den Gehweg zu laufen. So stand er uns direkt gegenüber und bellte lauthals. Wir gingen zwei Meter zurück und schoben ihm die Schale mit dem Futter aus sicherer Entfernung zu. Einige Meter weiter hinter ihm hoben wir einen Eimer mit Wasser auf das Grundstück. So nah an ihn heran, dass er ihn erreichen würde. Wir blieben einige Minuten stehen und beobachteten, wie er das Futter in sich hinein schlang. Immer wenn wir ihm auch nur ein paar Zentimeter näher kamen, begann er zu knurren und zu bellen. Als er fertig war, zog Kosta mit einem Stock die Schale zurück. Das gefiel dem Hund gar nicht, er biss in den Stock und machte großen Lärm dabei.  Wir gingen um die Ecke und warteten, bis er wieder auf dem Grundstück war und begann sich über das frische Wasser her zu machen.

Am kommenden Tag, Samstag den 15.11., hatten wir einiges vor. Von Deutschland aus hatten wir uns vor Ort mit einigen lieben Tierschützern verabredet, die ein Tierheim unweit von Thessaloniki betreiben. Wir hatten einige Spenden für dieses Tierheim gesammelt und auch einige Gelder aus freien Mitteln des Vereins oben drauf gelegt. So waren 1040€ zusammen gekommen, die wir nun mit in Griechenland hatten. Zudem hatten wir ja die Koffer und Taschen voller Leinen, Spielsachen, Pflegemittel und Medizin. So packten wir alle Sachen zusammen und brachen am Morgen auf, um die Freuen in Thessaloniki zu treffen. Dort trafen wir dann auch drei ausgesprochen sympathische und sehr sehr freundliche Frauen – Vasso, die Tierheimleiterin und ihre lieben Unterstützerinnen Elisabet und Dolly. Elisabet ist eine gebürtige Österreicherin und spricht deutsch, sodass sie uns am Tage einiges erklären konnte. Zu ihr hatten wir schon vor der Reise einen sehr guten Kontakt und sie half uns bei der Sammlung der Geldspenden.

Zuerst fuhren wir mit den Frauen in die städtische Tierklinik. Dort waren zu diesem Zeitpunkt vier der Tiere aus Vassos Tierheim zur Behandlung untergebracht. Einer davon war der Rüde Fantomas, den wir schon zuvor auf Bilder gesehen hatten. Ein Hund der bei seiner Übernahme durch Vasso mehr tot als lebendig war und noch immer auf der Kippe stand. Er bestand nur aus Haut und Knochen und an Stelle von Fell hatte er Schorf überall auf seinem Körper. Wir durften alle vier Hunde kurz nach draußen holen und ihnen ein paar Streicheleinheiten schenken. Diese genossen sie doch sehr! Zwei der Hunde konnten an diesem Tag entlassen werden und so luden wir sie ein und fuhren weiter zu einem Tierarzt, bei dem Vasso regelmäßig einige ihrer Tiere behandeln lässt.

Auch dort befand sich einer von Vassos Hunden, der an diesem Tag auch wieder mit uns zurück ins Tierheim fahren durfte. Und so packten wir auch ihn in Vassos Auto. Dann bezahlten wir vor Ort von den mitgebrachten Spende eine Tierarztrechnung über 1000 € für die Behandlung mehrerer Hunde in der Praxis. Dies war sehr nötig, da Vasso dort oftmals nicht gleich für die Behandlungen aller Tiere bezahlen kann. Somit sammeln sich dann Kosten an, die sie Stück für Stück abbezahlt. Um sie etwas zu entlasten, entschieden wir uns diesen Rechnungsanteil zu übernehmen, da es zum einen eine Bitte war und zum anderen zur Zeit kein Mangel an Futter im Tierheim herrscht.
Anschließend holten wir noch eine weitere liebe Helferin des Tierheims ab und machten uns auf den Weg.

Unterwegs hielten wir nur noch einmal kurz an einem Petshop an und kauften für die letzten 40 € aus unserer Spendensammlung noch ein wenig Welpenfutter für Vassos kleinsten Schützlinge.  Nach weiteren 15 Minuten Fahrt, kamen wir endlich am Tierheim an. Dort begrüßten uns schon die ersten Hunde erwartungsvoll am Eingangstor. Wir luden die drei Hunde und die mitgebrachten Spenden aus und betraten das Tierheim mit vollen Händen. Einige Hunde, die sich frei im Innenhof des Tierheims bewegen dürfen, sprangen an uns hoch und beschnüffelten uns neugierig. Nachdem wir alle Sachen sicher verstaut hatten, begann der vorerst spaßige Teil. Wir begrüßten nun auch die Hunde, die sich regelrecht um uns drängelten, um angefasst zu werden.

Einer war entzückender als der nächste - eine tolle Mischung aus den ganz sanften und zurückhaltenden Hunden, bis hin zu sehr frechen und ziemlich aufdringlichen Zeitgenossen. Nachdem wir einen ersten kurzen Überblick gewonnen hatten, war Elisabet so lieb, mich durch das Tierheim zu führen, während die anderen Frauen fleißig einige Arbeiten verrichteten und Kosta seine Runden drehte mit einem Rudel von Hunden hinter sich, die alle um seine Aufmerksamkeit buhlten. Zuerst kamen wir an ein kleines Laufgitter, in dem zwei gelähmte Hunde saßen. Ich setzte mich kurz zu ihnen und kraulte sie für einige Minuten. Beide dieser Hunde benötigen dringend einen Rolli und wir hoffen, dass wir dafür mit der Hilfe unserer lieben Unterstützer einige Spenden zusammen sammeln können.

Anschließend gingen wir weiter von Zwinger zu Zwinger. Darin saßen teilweise kleine Grüppchen, aber auch einzelne Hunde, die sofort an die Zäune gerannt kamen und uns ihre Köpfe entgegenstreckten. Elisabet erzählte mir viel von der Geschichte des Tierheims, von der vielen Arbeit dort, den Problemen, die ein solches Tierheim leider immer mit sich bringen und versuchte, mir so viele Infos wie möglich zu den einzelnen Hunden zu geben. Im vorderen Bereich des Tierheims bildeten die Zwinger auch gleichzeitig den äußeren Rand des Tierheims. Dort bestand der Boden aus Erde, welche leider wegen der Regenzeit ziemlich aufgeweicht war.

In der Mitte des Tierheims befand sich ein Gebäude (dieses steht wohl schon einige Jahre dort) mit gemauerten und gefliesten Zwingern, die sowohl eine Innen- als auch einen Außenbereich haben. Auch der linke äußere Rand des Tierheims bestand aus festen Zwingern. Auch diese waren gemauert und gefliest, waren aber um einiges neuer als der alte Massivbau in der Mitte. Doch leider hatten die Handwerker bei dem neuen Bau schlechte Arbeit geleistet und so mussten Vasso und ihr Team einige zusätzliche Mittel investieren um z.B. das Dach neu zu legen.

Im hinteren Bereich waren wieder offene Zwinger mit Erdboden, der leider auch hier vom Regen aufgeweicht war. In allen Zwingern im Tierheim stand für jeden darin untergebrachten Hund eine Hütte bereit und einige waren mit zusätzlichen Holzpaletten ausgelegt, damit die Hunde nicht auf dem nassen Boden stehen müssen. Zwischen den Zwingern im hinteren Bereich stand dann noch ein Container mit Außenzwinger, in dem die Katzen untergebracht waren. Darin befanden sich ein Baum, der gespickt war mit mauzenden Katzen und einige Häuschen und andere Utensilien für die Samtpfoten. Im Zentrum des Tierheims stand ein Bauwagen, indem der Arbeiter wohnte der sich täglich um die Versorgung der Tiere kümmert. Daneben zwei aufeinandergestapelte Container, in denen Spenden und Futter gelagert wurden und eine Quarantänestation eingerichtet war.

Die über 300 im Tierheim untergebrachten Hunde waren zum Teil schon lange Zeit dort. Andere wiederum waren erst in den Tagen vor unserem Besuch aufgenommen worden. Teilweise waren diese noch sehr dünn und schwach, oder waren noch etwas verunsichert. Es waren fast alle Rassen, Größen und Charaktere im Tierheim zu finden. Von großen sanften Riesen, bis hin zu kleinen Powerpaketen mit kräftiger Stimme und riesen Selbstbewusstsein. Doch eines hatte sie alle gemeinsam – den Wunsch einmal eine Familie zu finden und das Leben im Tierheim hinter sich lassen zu können. Elisabet und Vasso nahmen sich am Ende unseres Besuches noch einige Minuten Zeit und von den vielen “Baustellen“ zu berichten, die es im Tierheim gab und auch wir sprachen unsere Ideen und Gedanken an, wie man es den Tieren dort unter Umständen noch etwas angenehmer machen könnte. So ist es beispielsweise Vassos Wunsch ein kleines Zimmer im alten Zwingerhaus einzurichten, in dem man z.B. freiwillige und ehrenamtliche Helfer aus dem Ausland unterbringen könnte. Zudem müssten die Stromleitungen unterirdisch verlegt werden, welche momentan noch über das Tierheim gespannt sind, die die Nager leider immer wieder zernagen.

Mit all diesen Eindrücken und vielen Gedanken machten wir uns am späten Nachmittag auf den Heimweg. Wir fuhren zu dem Supermarkt, in dem wir schon am ersten Tag Tierfutter gekauft hatten und kauften eine neue Ladung voll. Auf dem Parkplatz begegneten uns zwei der Hunde vom ersten Abend und zwei weitere sehr zutrauliche Hunde. Darunter ein schwarzer Labrador-Junghund, der zusammengerollt vor den Einkaufswagen auf der Erde lag. Wir füttern die Hunde und streichelten sie einige Zeit, bis wir ziemlich erschöpft nach Hause fuhren.

Am Abend gingen wir dann wieder unsere Runde und fütterten den Kettenhund an der Laufleine, der sich sehr über das Futter, aber weniger doll über den Stock freute mit dem Kosta ihm die Schale aus sicherer Entfernung hin schob. Wer weiß, was der arme Kerl bisher für Erfahrungen mit Stöcken machen musste…

Dann befreiten wir auch wieder die kleine Hündin von der Kette und brachten auch ihr ein reichhaltiges Abendbrot mit.

Am nächsten Tag besuchten wir ein zweites Tierschutzprojekt, bei dem Kosta und ich uns vor über zwei Jahren kennengelernt hatten. Er hatte damals einen schwer verletzten Welpen gerettet und dorthin gebracht und ich hatte das Projekt damals besucht, um dort ein wenig mit anzupacken. Dort besuchten wir unsere Patenhunde und erzählten den Frauen von den Kettenhunden und dem Esel, um sie nach Rat zu fragen. Sie waren gleich einverstanden, sich die Tiere mit Kosta am kommenden Tag anzusehen, da ich schon am nächsten Tag die Heimreise antreten musste.

Auf dem Rückweg hielten wir erneut bei drei unserer Sorgenkinder an. Den Anfang machte der Esel, dem wir an diesem Tag Äpfel und Brot mitgebracht hatten. Wir betraten das Grundstück und gaben den beiden kleinen Hunden etwas zu fressen. Dann war der Esel dran. Während ich ihm Brot und Äpfel reichte, die er mir Bissen für Bissen aus der Hand fraß, kümmerte sich Kosta um das Ausmisten des Kleinbusses. Darin befanden sich neben einer riesigen Ladung Eselkot, altem feuchtem Heu und einem Eimer mit brackigem Wasser, auch eine - wohl mit Absicht platzierte, da sie in einer Vorrichtung steckte, die ihr umkippen verhinderte - große Schraube, mit der Spitze nach oben. Nicht vorzustellen was passiert wäre, wenn der Esel dort hinein getreten wäre, oder sich drauf gesetzt hätte. Wir fanden einen frischen Strohballen in einem kleinen Bauwagen auf dem Grundstück und Kosta legte das Stroh im Kleinbus aus. Dann verlängerte Kosta sein Seil um einige Meter. Wir wollten ihn jedoch nicht ganz davon befreien, da wir nicht wussten, wie der Esel auf die Hunde reagieren würde, die sich frei auf dem Hof bewegten.

Nach einigen Streicheleinheiten verließen wir das arme Tier wieder zogen weiter zu unserem zweiten Sorgenkind – dem Hund an der Laufleine, den wir noch am selben Abend auf den Namen Gizmo tauften. Gizmo kam in Windeseile an den Zaun gerannt, als wir uns ihm näherten. Wir hatten natürlich wieder Futter für ihn mitgebracht, versorgten ihn sogleich und füllten den Eimer mit Wasser auf. Nachdem wir uns mit dem Stock die Eisenschale wieder zurück geholt hatten und Gizmo mächtig geknurrt, gebellt und danach gebissen hatte, ging Kosta zum Auto zurück. Ich blieb noch einen Moment bei Gizmo stehen und redete mit ihm, doch er schien nicht besonders erfreut darüber zu sein und schimpfte lautstark. Kosta riet mir dann, den Stock, den ich noch immer in der Hand hatte bei Seite zu legen und so begann eine Stunde Hundepsychologie. Zuerst stellte ich mich auf einige Entfernung mit dem Rücken zu Gizmo. Er bellte weiter und wirkte noch ziemlich unentspannt. Dann ging ich aller paar Minuten einen kleinen Schritt auf ihn zu, zeigte ihm aber immer noch meinen Rücken.  Irgendwann trennten uns nur noch zwei Meter und ich drehte mich zur Seite und begann ganz ruhig mit ihm zu sprechen. Langsam wurde er ruhiger und wirkte sehr interessiert an mir. Nach einiger Zeit setzte ich mich zu ihm auf den Boden und sprach ihn direkt an. Er begann zu winseln und in meine Richtung zu ziehen, da er nun anscheinend doch zu mir heran kommen wollte. Ich saß dort einige Zeit, bis ich ihm irgendwann meine Hand hin streckte und ihn die ersten kurzen Male daran schnuppern ließ. Nachdem dass 3 Mal geklappt hatte und er weder nach mit gebissen noch geknurrt hatte, stand ich auf und ging noch ein Stück näher an ihn heran. Nach einigen Minuten war es dann soweit – ich konnte Gizmo streicheln und kraulen und er genoss dies so sehr. Er drückte sich richtig in meine Hand und drehte mir den Körper zu, um auch dort gekrault zu werden. Es war ein tolles Gefühl diesen großartigen Hund endlich anfassen zu können und ihm zu zeigen, dass wir es gut mit ihm meinten.

Nach 10 Minuten kraulen ging ich zurück zu Kosta, der das Geschehen aus der Ferne beobachtet hatte, da Gizmo auf Männer wohl noch einmal empfindlicher reagierte. Anschließend fuhren wir erneut bei der jungen Hündin vorbei, befreiten sie zum gefühlten hundertsten Mal von der Kette und gaben ihr etwas zu essen.  Auch an diesem Abend besuchten wir Gizmo erneut, der uns nun beiden nicht mehr aus dem Kopf ging. Wir fütterten ihn und entschieden nach einiger Überlegung eine Lösung zu finden, um ihn aus dieser Haltung zu befreien.

So begann ein Abend voller Telefonate und Schriftwechsel, bis Kosta sich nach einigen Stunden für den nächsten Tag mit einem Tierschützer verabredete, der uns von einer anderen Tierschützerin empfohlen worden war. Mit ihm wollte er Gizmo und auch den Esel besuchen und eine Lösung überlegen wie man dort helfen kann.

Am nächsten Tag stand der Abschied an. Da ich schon zwei Tage vor Kosta zurückreisen musste, brachte er mich an diesem Tag zum Flughafen und fuhr anschließend mit einer langen ToDo-Liste zurück nach Nea Kallikratia. Dort traf er sich zuerst mit den zwei Frauen, mit denen er sich am Vortag verabredet hatte und sie fuhren gemeinsam zum zuständigen Mitarbeiter der Gemeinde, der für den Bereich Tierschutz zuständig war. Der Mann verwies Kosta dann auf einen seiner Kollegen und mit ihm fuhr Kosta anschließend zum Esel, zu Gizmo und zur Kettenhündin und zeigte ihm diese Gesetzesverstöße. Der Mann war ganz besonders vom Esel doch sehr erschrocken und versprach sich diesen Fällen anzunehmen. Anschließend traf sich Kosta mit Iraklis, dem Tierschützer aus Nea Kalikratia, um auch ihm die Tiere zu zeigen. Dieser ging sogleich direkt auf Gizmo zu und fasste ihn an. Eine andere Methode als die meine :) Vermutlich hat er das Überraschungsmoment ausgenutzt und Gizmo damit gar nicht erst die Chance gegeben los zu bellen oder zu knurren.

Leider hatte Iraklis selbst keine Chance Gizmo bei sich aufzunehmen, doch er versprach ihn füttern zu fahren bis wir eine Lösung für ihn gefunden haben. Anschließend fuhren die beiden Männer zusammen zum Hof des Esels, wo sie auf einen Bekannten des Eigentümers trafen. Diesen forderten sie sogleich auf, dem Tierhalter auszurichten, dass der Esel so nicht gehalten werden dürfe und sie ihn anzeigen würden, wenn er nicht etwas an der Haltung des Tieres ändern und ihn von Leine befreien würde. Mittlerweile wissen wir, dass sich der Esel nun nicht mehr auf dem Grundstück befindet. Kosta konnte jedoch einige Personen einschalten, die versuchen herauszufinden, wo der Esel sich nun aufhält und wie er dort gehalten wird.

Anschließend durfte Kosta noch einen Abstecher mit zu Iraklis und seiner lieben Familie machen und seine Hunde kennenlernen. Dann berichtete er mir von den Ereignissen und Ergebnissen des Tages und ich schrieb gleich einige liebe Tierschutzkollegen in Deutschland an und bat sie um Hilfe, um Gizmo zu befreien und sicher unterbringen zu können. Es dauerte keine 2 Stunden und prompt war eine Lösung gefunden. Der engagierte Verein "Stray - einsame Vierbeiner" hatte uns eine Pension in Thessaloniki vermittelt, die ihn holen und unterbringen würden, bis wir ein Zuhause für ihn gefunden haben.

Mit dieser tollen Nachricht konnte dann auch Kosta am kommenden Tag nach Deutschland zurückreisen. Von hier aus organisierten wir dann die Kontaktaufnahme zwischen Iraklis und der Pension, die Gizmo einige Tage später zusammen abholten.

Also war auch diese Reise, trotz der vielen auch sehr unschönen Eindrücke, doch ein Erfolg und wir sind sehr froh, dass wir so tolle Menschen und Tiere kennenlernen durften und das zumindest Gizmo ein sicheres Plätzchen hat, wo man nun eifrig mit ihm arbeitet.

Liebe Grüße

Anne und Kosta